Doktrinelle Präambel von Bischof Fellay


Doktrinelle Präambel von Bischof Fellay 

übersandt an Kardinal Levada am 15. April

 2012








I. Wir versprechen der Katholischen Kirche und dem Römischen Pontifex, dem Obersten Hirten, Stellvertreter Christi, Nachfolger Petri und Oberhaupt des Bischofskollegiums(a) stete Treue.


II. Wir erklären, dass wir die vom Lehramt der Kirche vorgelegte Unterweisung hinsichtlich der Glaubens- und Sittenlehre in jeder lehramtlichen Aussage nach dem Range ihrer Verbindlichkeit in Übereinstimmung mit den Lehraussagen in Nr. 25 der dogmatischen Konstitution Lumen Gentium des Zweiten Vatikanischen Konzils  annehmen.[1]

III. Im Einzelnen:

1.     Wir erklären, dass wir die kirchliche Lehre über den Römischen Pontifex und über das Kollegium der Bischöfe(b) mit dem Papst an seiner Spitze, so wie sie in der dogmatischen Konstitution des Ersten Vatikanischen Konzils Pastor Aeternus und der dogmatischen Konstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils Lumen Gentium, Kap. 3 (de constitutione hierarchica et in specie de episcopatu), erläutert und ausgedeutet in der Nota explicativa praevia im selben Kapitel, vorgelegt wurde, annehmen.


2.  Wir anerkennen die Autorität des Lehramtes, dem es allein obliegt, das Wort Gottes, sei es schriftlich niedergelegt oder sei es getreu der Tradition überliefert [2], authentisch auszulegen und rufen uns dabei ins Gedächtnis, dass „Petri Nachfolgern der Heilige Geist nicht dazu verheißen ward, dass sie unter seiner Eingebung neue Lehren verkünden, sondern dass es vielmehr ihre Aufgabe ist, die von den Aposteln überlieferte Offenbarung, d.h. das anvertraute Glaubensgut, unter seinem Beistand in heiliger Weise zu hüten und getreu auszulegen.“[3]

3.    Die Tradition ist die lebendige Weitergabe der Offenbarung “usque ad nos“[4] und die Kirche bewahrt und überliefert in ihrer Glaubenslehre, ihrem Leben und ihrer Liturgie an alle Generationen das, was sie ist und woran sie glaubt. Die Tradition schreitet in der Kirche unter dem Beistand des Heiligen Geistes voran [5], nicht als eine ihr entgegengesetzte Neuerung [6], sondern durch ein besseres Verständnis des Depositum Fidei [7].

4.     Die gesamte katholische Tradition muss der Schlüssel(c) und die Anleitung zum Verständnis der Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils sein, welches seinerseits gewisse Aspekte des Lebens und der Lehre der Kirche, die implizit in ihr enthalten oder noch nicht begrifflich ausformuliert sind, erhellt, d.h. vertieft und mithin präzisiert.[8]

5.     Die Behauptungen(d) des Zweiten Vatikanischen Konzils und des nachfolgenden Lehramtes, welche die Beziehung zwischen der katholischen Kirche und den nichtkatholischen christlichen Bekenntnissen sowie auch die gesellschaftliche Aufgabe der Religion und das Recht auf Religionsfreiheit betreffen, die in ihrem Wortlaut schwerlich mit dem vorangehenden Lehramt in Einklang gebracht werden können(e), müssen im Licht der vollständigen und ununterbrochenen Überlieferung in solcher Weise aufgefasst werden, dass sie mit den bisher vom Lehramt der Kirche vorgelegten Wahrheiten übereinstimmen, ohne irgendeine Interpretation dieser Behauptungen zuzulassen, welche dazu führen könnte, die katholische Lehre im Widerspruch oder im Bruch mit der Tradition und dem Lehramt auszulegen(f).

6.     Aus diesem Grund ist es gerechtfertigt, durch legitime Diskussion das Studium und die theologische Erörterung der Äußerungen und Formulierungen des Zweiten Vatikanischen Konzils und des nachfolgenden Lehramtes  zu fördern, wo es scheint, dass sie mit dem vorausgehenden Lehramt der Kirche nicht in Übereinzustimmen gebracht werden können.[9] (g)

7.     Wir erklären, dass wir die Gültigkeit des Messopfers und der Sakramente, die in der Absicht gespendet werden zu tun, was die Kirche tut, anerkennen, wenn sie gemäß den Riten    der Editiones typicae des Römischen Messbuches und der Vorschriften zur Spendung der Sakramente, wie sie von den Päpsten Paul VI. und Johannes Paul II. rechtmäßig promulgiert wurden, gespendet werden.

8.     In Übereinstimmung mit den oben genannten Richtlinien (h) (III,5), sowie mit Kanon 21 des Kirchenrechts versprechen wir, die allgemeine Disziplin der Kirche und die kirchlichen Gesetze, besonders jene, die in im Jahre 1983 von Johannes Paul II. promulgierten Kodex des kanonischen Rechts und die des kanonischen Rechts und im vom selben Papst im Jahre 1990 promulgierten kanonischen Recht der katholischen Ostkirchen enthalten sind, vorbehaltlich der Disziplin, die durch ein besonderes Gesetz der Priesterbruderschaft Sankt Pius X. zugestanden werden muss, zu respektieren.



[1] Vgl. auch die neue Formel des Glaubensbekenntnisses und Treueeides bei der Annahme eines Amtes, das im Namen der Kirche ausgeübt wird; 1989, vgl. CIC, can. 749; 750; 1 & 2; 752; CCEO can. 597; 598, 1 & 2; 599.
[2] Vgl. Pius XII. Enzyklika Humani Generis.
[3] Erstes Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Pastor Aeternus, Kap. 4, 17, Denz. 3070.
[4]  Konzil von Trient, Denz. 1501: „[…], dass diese Wahrheit und Ordnung in geschriebenen Büchern und ungeschriebenen Überlieferungen enthalten ist, die die Apostel selbst aus dem Munde Christi empfangen haben oder ihnen selbst auf Diktat des Heiligen Geistes gleichsam von Hand zu Hand weitergegeben wurden und so bis auf uns gekommen sind.“
[5] Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Dei Verbum, 8 & 9, Denz. 4209-4210.
[6] Vgl. Erstes Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Dei Filius, Denz. 3020: „Daher ist auch immerdar derjenige Sinn der heiligen Glaubenssätze beizubehalten, den die heilige Mutter Kirche einmal erklärt hat, und niemals von diesem Sinn unter dem Anschein und Namen einer höheren Einsicht abzuweichen [Kan. 3]. "So wachse denn und gedeihe in reichem und starkem Maße im Laufe der Zeiten und Jahrhunderte Erkenntnis, Wissenschaft und Weisheit sowohl in einem jeden als auch in allen, sowohl im einzelnen Menschen als auch in der ganzen Kirche: aber lediglich in der ihnen zukommenden Weise, nämlich in derselben Lehre, demselben Sinn und derselben Auffassung" [Vinzenz von Lérins, Commonitorium primum 23, n. 3.].
[7] Vgl. Erstes Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Dei Filius, Denz. 3011; Antimodernisteneid, Nr. 4; Pius XII. Enzyklika Humani Generis, Denz. 3886; Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Dei Verbum, 10, Denz. 4213. 
[8] Wie zum Beispiel die Lehre von der Sakramentalität des Episkopats in Lumen Gentium, Nr. 21.
[9] Eine Parallele in der Geschichte ist das Dekret für die Armenier des Konzils von Florenz, in welchem die Darreichung der liturgischen Geräte als Materie des Weihesakraments festgesetzt wurde.  Dennoch erörterten Theologen selbst nach dem Erlass dieses Dekrets legitimerweise die Genauigkeit dieser Anweisung. Papst Pius XII. entschied diese Frage schließlich auf andere Weise. 


[Vom Übersetzer eingefügte Fussnoten für ein besseres Verständnis gewisser Ausdrücke:
a  im frz. Text: „Corps des évêques“
b „Collège des évêques“
c „le critère
d „les affirmations
e „dont la formulation est difficilement conciliable
f „exposer
g „ne paraissent pas conciliables avec
h „critères“]